Robert Emmert/München : Interessantes Vernehmungsprotokoll zum Thema: „ 60 Jahre Kriegsende “

Blumensaat, Major                                                                                                               Im Felde, 15. 9.4l.

Kommandeur III./JG52

V e r n e h m u n g

Heute erschien auf meinen Befehl Uffz. Kirschenlohr. Mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt, sagt K. folgendes aus:

Zur Person: Ich heisse Uffz Hans Kirschenlohr, geb. am 5.5.21 zu Lötzen/Kreis Allenstein.

Am 5.4.1938 in die Luftwaffe eingetreten. Fliegerische Ausbildung vom 2.3.4O – 31.10. 4O bis LF-Schein. Vom 20.7.40-28.2.41 Jagd-fliegerausbildung. Am 2O.7.41 zur III./J.G.52 versetzt.

 

Zur Sache: Am 9.9.41 fing meine Maschine bei einem Feindflug in über 4000 m Höhe aus mir unbekannten Gründen Feuer. Als ich merkte, dass ich durch den in die  Kabine strömenden Qualm benom-men wurde, warf ich das Kabinendach ab und löste die Gurte. Da sich mein Zustand trotz offener Maschine weiter versch1echterte, sprang ich ab Während ich noch im Fallschirm hing, sah ich die Maschine brennend im Osten abstürzen. Durch den Wind wurde ich nach Norden abgetrieben. Nach meiner Landung sah ich aus einem Waldrand heraus 2 Zivilisten auf mich zukommen, die keiner1ei militärische K1eidungsstücke trugen. Beide waren mit Dolchen bewaffnet. Den ersten schoss ich in 15 m, den zweiten in 10 m Entfernung nieder. Ich entfernte mich darauf in entgegen gesetzter Richtung und brach nach 50 m zusammen. Als ich mich wieder aufrichtete kamen zehn Soldaten auf mich zu, von denen einer mit dem Gewehr auf mich anlegte und 3 versuchten mit dem Seiten-gewehr zuzustechen. Dieses wurde von einem Offizier mit dem Bemerken verhindert “Soldat Messerschmidt erst vernehmen und dann er machte die Geste des Halssabschneidens.“ Die Soldaten plünderten mich völlig aus und nahmen mir sämtliche Wertgegen-stände weg, ohne dass dies von dem anwesenden Offz. verhindert worden wäre. Es wurden mir abgenommen: 1 Uhr, Brieftasche‚ Geldbörse, Bilder, Ausweise und 2 Karten. Anschliessend wurde ich auf einem LKW zum ersten Verhör gebracht. Bei diesem wurden lediglich eingehendst die Personalangaben verlangt. In einem PKW wurde ich hierauf nach Globino zu einem zweiten Verhör gebracht. Auf dem Wege zum PKW wurde ich von den umstehenden Soldaten mit Gewehrkolbenschlägen und Rippenstössen drangsaliert. In Globino wurde ich in Anwesenheit von 5 Offz. von einem Kommis-sar unter Bedienung eines Dolmetschers vernommen. Der Kommis-sar fragte mich ausschliesslich um politische Dinge.

Frage: Wissen Sie, dass in Deutschland die Revolution aus­gebrochen ist? Antwort: Nein, davon ist mir nichts bekannt!

Frage: Wissen Sie, dass der Führer jedem 0ffz. ein Gut in Russland versprochen hat?  Antwort: Nein, davon weiss ich nichts!

Frage: Kennen Sie in Deutschland die Geburteneröhungsstellen? Antwort: Nein, ich weiss nicht was das ist!

Er erklärte mir, dass dies eine Einrichtung sei, wo die Frauen auf Befehl der Regierung geschwängert würden, um die Geburtenziffern zu erhöhen. Ich sagte ihm, dass ich nur ein “Puf“ in Deutschland kenne und liess er sich dieses von mir erklären.

Frage: Wie ist die Stimmung in Deutschland?

Antwort: Gut! — Darauf erhielt ich von ihm einen Schlag mit dem Revolver gegen das Kinn. Frage: Wie ist die Verpflegung in Deutschland! Antwort: Verpflegung gibt es auf Marken und ist genügend vorhanden!

Ich wurde anschliessend, da ich völlig erschöpft war, von zwei Posten in eine Zelle geschleppt und  aufs Stroh ge­worfen. Nach etwa einer Stunde wurde ich von denselben Posten wieder herausgezerrt und nunmehr den Offz. zum Verhör vorge­führt. Die Einleitung dieses Verhöres war folgende Bemerkung:

„ Sie müssen uns die Wahrheit sagen, wenn Sie die Wahrheit sagen werden Sie nicht erschossen.!“

Frage: Von welcher Einheit sind Sie?

Antwort: Von der 27. Jagdstaffel!

 Frage: Von welchem Platz sind Sie gestartet?

Antwort:Von Biala-Zerkow!

Frage: Wo liegt der Flugplatz Biala-Zerkow?

Antwort: Das müssen Sie besser wissen, da er in Ihrem eigenen Lande liegt! — Dafür erhielt ich verschiedene Faustschläge, worauf ich sagte, dass er westlich der Stadt liegt. Ein Uffz. antwortete darauf: “Wir wissen selbstverständlich  wo der Platz liegt, wir wollten Sie nur prüfen, ob Sie die Wahrheit sagen!“

Frage: Wieviel Flugzeuge stehen auf dem Platz?

Antwort: Das weiss ich nicht! — Daraufhin erneute Schläge.- “Sie wissen es ganz genau, es sind 1l Flugzeuge auf dem Platze!“

 Ich antwortete: “Es sind 150.“

Frage: Liegt ein höherer Stab auf dem Flugplatz? Diese Frage habe ich dreimal verneint! Frage: Wo liegt die Panzergruppe Kleist? Antwort: Ich bin bei der Luftwaffe und bin über Heeresverbände nicht orientiert!

Frage: Sie müssen doch als Uffz. eine Heeresformation kennen?

Antwort: Ich kenne die 11. Panzerdivision! Frage:Wo liegt diese?

Antwort: Bei Uman!

Frage: Wo befindet sich die Dnjepr-Brücke bei Krementschug? Antwort: Das weiss ich nicht, am Tage ist sie nicht zu sehen!

Frage: Wie stark sind die Verluste der deutschen Truppen?

Antwort: Diese sind nicht hoch! – Ein 0ffz. „ Das wissen Sie noch nicht, dass die Deutschen über 2 Millionen Tote und Verwundete haben?“

Frage: Wieviel Verluste haben Sie bei der 27 Jagdstaffel? Antwort: Bei meiner Staffel einen Verlust durch Rollschaden, in den anderen Staffeln keine Verluste!

Kurz vor Beendigung drohte man mir mit dem Erschiessen, wenn es sich herausstellte, dass ich gelogen habe. Die Verhöre wurden schriftlich niedergelegt. Das Verhör, welches der Kommissar vornahm, wurde mir in russischer Schrift zur Unterschrift vorgelegt. Als ich mich weigerte zu unterschreiben, erhielt ich erneut Faustschläge vom Kommissar und dem Dolmetscher. Um weiteren Missahandlungen zu entgehen, habe ich das Protokoll unter-schrieben. Daraufhin wurde ich unter Bewachung von fünf Soldaten und einem Offz. zum Gefangenenlager gebracht.

Dabei teilte man mir mit, dass ich später ins Hinterland gebracht werden würde. Das Lager war für 500 Mann eingerichtet. Es befanden sich 8 Infanteristen darin, von denen 2 schwer verwundet waren. Der eine hatte einen schweren Oberarmdurchschuss mit Zertrümmerung des Oberarmknochens, der andere eine grosse Weichteilverletzung der linken Schulter. Irgendwelche ärztliche Hilfe wurde den beiden Verwundeten n i c h t ge­leistet. Wir wurden in einem etwa 8 in grossen Raum unter­gebracht. Ein Teil des Bodens, der als Schlafstätte diente, war mit Stroh bedeckt. Die Fensterscheiben waren zertrümmert, Decken zum Schlafen erhielten wir nicht. Die beiden Infanteristen, welche verwundet waren, besassen keine Hemden, da sie dieselben bei ihrer Verletzung heruntergerissen hatten und zum Teil als Notverband gebrauchten. Das Lager war sehr stark bewacht, vor jedem Fenster stand ein Posten, der sofort schoss, wenn man sich dem Fenster näherte. Um 10.00 Uhr morgens gab es eine dünne Suppe, die aus warmen Wasser bestand, indem sich einige Kartoffel befanden, dazu eine Scheibe Brot. Dieselbe Verpflegung gab es abends um l7.00 Uhr nochmals. Um 06.00 Uhr morgens wurden wir geweckt u. mussten aufstehen. Waschgelegenheit stand uns keine zur Verfügung. Beim Verlangen, auf die Abortanlage geführt zu werden, wurde nur in den seltensten Fällen die Zelle geöffnet, sodass man gezwungen war, die Notdurft in der Zelle zu verrichte was die Folge hatte, dass in der Zeile sehr bald ein fürchterlicher Gestank entstand. Die Soldaten die nicht verwundet waren, mussten einmal eine Runde im Laufschritt um den Hof zurücklegen. Weiter wurden diese zu Küchenarbeiten herange-zogen und mussten den Abort reinigen und scheuern. Der Wachha-bende stank immer nach Wodka.

Am 1.9.41 erhielten wir abends kein Essen mehr. Bei Einbruch der Dämmerung sahen wir, dass eine 50 m entfernte Munitionsfabrik in hellen Flammen stand. Diese musste von den Russen selbst in Brand gesteckt worden sein. Wir wurden eingesperrt, dicht neben der brennenden Fabrik liegen ge­lassen. Zuerst explodierte die Gewehr-munition, anschliessend begannen grössere Sprengkörper nachein-ander zu detonieren und dauerten die Explosionen bis zum Morgen-grauen an. Durch die Gewalt dieser Explosionen flogen die Fenster-rahmen heraus und mussten wir vor dem herabfallenden Mörtel- und den Mauerstücken Deckung nehmen. Die Russen hatten wohl bei ihrem Abzug angenommen, dass die Munitionsfabrik mit einem Schlag zur Ex­plosion käme und wir dadurch getötet würden.

Morgens erschienen 2 Zivilisten in unserer Zelle, die uns verständ-lich machten, dass sie Ukrainer wären. Sie führten uns in die Küche und gaben uns zu essen und zu trinken. Nach ungefähr einer halben Stunde kam ein deutscher Stosstrupp, der uns sofort aus dem Lager befreite. Ich wurde darauf zur Panzerrollbahn ge­bracht und mit den beiden verwundeten Infanteristen ins Lazarett nach Krementschug geführt. Erst von dort kehrte ich sofort zu meiner Truppe zurück, bei der ich am 14.9.41. wieder eintraf.

v. g. u.

gez. Kirschenlohr                             Geschlossen: gez. Blumensaat

Unteroffizier                                    Major und Gruppenkommandeur

Als Zeuge: gez. Dr. Bender

Oberarzt und Truppenarzt

 

 

Geschwader-Marsch
Me 109