In den 80er Jahren kam ich irgendwie an ein rätselhaftes Großfoto (Fotomaße 19×25 cm), welches verhältnismäßig sehr grob erhaben das Wappen des JG 52 im Großformat zeigte, rückseitig handschriftlich mit JG 52 vermerkt.
Zuerst nahm ich an, dass dieses Gebilde vielleicht einen Metallguss oder auch eine Ton- oder Keramikplatte zeigte.
Aus Erfahrung und von Vergleichstücken wusste ich, die hohe Kunst unserer schwarzen Männer war normalerweise um vieles besser und exakter. Später fand ich dann heraus, dass es sich eigentlich doch um eine Vergrößerung oder Makroaufnahme handeln könnte. Bei den Altensteiner 52ern konnte mir auch keiner weiterhelfen, selbst „Esau“ Heinz Ewald, Walter Wolfrum, Viktor Petermann und „Bonifazius“ Peter Düttmann wussten keinen Rat. Langsam kam ich mir mit meiner Fragerei etwas lächerlich vor, vielleicht war es auch nur ein minderwertiges Nachkriegsgebilde, welches irgendein Hobbysammler einmal angefertigt hatte. Die Sache ließ mir trotzdem keine Ruhe. Ich machte nochmals eine Runde über alle Oberwerkmeister, – die wussten doch immer alles meistens besser! Letztens kam ich damit zu unserem Ludwig Binder (Luggi – Münchner Original)
„Was willst mit dem Schmarrn ? Schleich Dich ! Des stammt gwiss net von der 3. Staffel, wenn des einer bei mir gmacht hät, dem hät ich aber kräftig die Ohrwatscheln langzogen !“ – Ich gab´s auf.
Ich hatte einen Verdacht, die rückseitige Kennzeichnung hatte sehr viel Ähnlichkeit mit Johannes Wieses Handschrift, die ich aus Briefen und Dokumenten her von ihm kannte.
Unter anderem legte ich J. Wiese nun dieses Foto mit der bisherigen, für mich fast peinlichen Kurzgeschichte vor. Mit sehr verwundertem Blick und einem leicht schmunzelnden Lächeln gab er folgende Erwiderung:
„Das ist beides von mir, sowohl die Makroaufnahme als auch die Kennzeichnung. Dass Sie über den handschriftlichen Vermerk dennoch auf mich gekommen sind, ist wirklich sehr erstaunlich – wir hatten ja bisher nur wenig Schriftverkehr. Ihre Hartnäckigkeit soll nun auch endlich belohnt werden. Das Foto beinhaltet eine Nahaufnahme/Vergrößerung des Siegels vom Siegelring des Kommodores des JG 52.“
Jetzt traf es mich wie mit einem Paukenschlag! Ich brauchte einige Sekunden um dieses zu verdauen, mit meinem Gesichtsausdruck dabei habe ich Wiese wiederum zum Lächeln gebracht.
„Kamerad Wägenbaur, ich sehe schon, Sie sind jetzt ganz schön nervös geworden. Gehen sie raus und rauchen eine Zigarette, danach erzähle ich Ihnen dann die ganze Geschichte.“
So schnell hatte ich, glaube ich, noch nie eine Zigarette verpafft!
Oh Gott – was mag da jetzt auf mich zukommen, die Phantasie ging schon langsam mit mir durch. Aber Johannes Wiese ließ sich Zeit und holte mich dann doch noch in die Realität zurück.
„Also die Sache war folgende: Ich war Mitte 1941 Adjutant bei Major Hannes Trübenbach, dem damaligen Kommodore des JG 52. Wir lagen noch in Rumänien, flogen gemeinsam einige erfolgreiche Frontflüge und wurden dabei sogar auch einmal gemeinsam im Wehrmachtsbericht genannt (eine Kopie davon hat mir Wiese anschließend mitgegeben). Trübenbach und ich, wir verstanden uns damals sehr gut. Bei Gesprächen mit ihm, fiel mir unter Anderem auch dieser Siegelring an seiner Hand auf. Auf meine Anfrage hin erhielt ich dann folgende Antwort: Diesen Ring habe ich damals vom ersten Kommodore des JG 52, Major Merhard von Bernegg, anlässlich meiner Übernahme des JG 52 als neuer Kommodore, mit übernommen und sollte diesen in Ehren halten, sowie an meine Nachfolger weitergeben. Dieser Siegelring sei sichtbares Zeichen des Kommodore und seiner Stellung zur Ehre des JG 52.
Trübenbach hat den Siegelring dann bis zu seiner Versetzung im Okt. 1941 getragen. Bei seinem Abschied vom JG 52 hat mir Trübenbach den Ring übergeben und folgendes aufgetragen:
„Bitte tragen Sie dafür Sorge, dass dieser Siegelring beim Geschwader bleibt und nie in unwürdige Hände kommt.“
Ich habe seinerzeit aus Sicherheitsgründen einen Abdruck des Siegels vom Kommodoresiegelring gemacht, welches ich hier noch in Verwahrung habe. Dieses werde ich nachher heraussuchen und Ihnen als Belegstück mitgeben.“
Die folgenden Kommodores Karl Heinz Lesmann, Herbert Ihlefeld, Gordon Gollob, haben den Siegelring, wenn überhaupt, nur kurzfristig und zu besonderen Anlässen getragen.
Als Dietrich Hrabak im November 1942 Kommodore des JG 52 wurde, habe ich als damaliger Staffelkapitän der 2./JG 52, den Siegelring dann Anfang Dezember Hrabak überreicht.
Hrabak hat diesen dann auch ständig getragen. Es gibt mehrere Fotos davon zum Nachweis. Beim Abschied vom JG 52 wegen meiner Verwundung im Mai 1944, beauftragte ich meinen ehemaligen Kameraden und Freund Rudi Trenkel, die Interessen von Trübenbach und mir zu wahren.
Als dann Hrabak Ende September 1944 durch Oberstleutnant Hermann Graf abgelöst wurde, hat Hrabak den Siegelring an Trenkel zurückgegeben, der inzwischen Staffelkapitän meiner ehemaligen 2./JG 52, der Sarottistaffel, geworden war. Trenkel hat den Siegelring wieder Hermann Graf überreicht, der diesen dann auch bis Kriegsende getragen hat. Davon müsste es ebenfalls noch Fotos geben. Dies hat mir auch Hermann Graf nach dem Kriege selbst bestätigt, denn wir waren Kameraden und inzwischen gute Freunde geworden.
Die letzte Amtshandlung, die der Ring an Grafs Hand mitge-macht hat, war die Trauung von Rudi Trenkel und seiner Ida, im US-Kriegsgefangenenlager Strakonitz am 14.05.1945. Ich habe noch eine Kopie dieser Heiratsurkunde. Graf war ja im Zivilberuf Standesbeamter und als Kommodore war er sowieso berechtigt, Trauungen durchzuführen. Die Gruppenkomman-deure Hptm. Bubi Erich Hartmann I./JG 52 und Major Adolf Borchers III./JG 52, waren die Trauzeugen.
Kurz vor oder nach der Hochzeit hatten die Brautleute noch einen Fluchtversuch unternommen, der aber leider gescheitert ist. Trenkel hatte noch eine Verwundung am Arm und war damit einfach noch nicht fit genug für einen erfolgreichen Fluchtversuch. Die Ida Trenkel beherrschte alle slawischen Sprachen fließend, wie Tschechisch, Slowakisch, Polnisch, Ungarisch und Russisch. Sie war ja in Brünn geboren. Mit ihren Sprachkenntnissen hat sie für das JG 52 und Graf wertvollste Dienste geleistet und wurde quasi als Sekretärin z.b.V. eingesetzt.
Rudi und seine Ida beschlossen, dass Ida alleine einen Flucht-versuch machen und sich nach Wien bis zu ihrer Tante durch-schlagen sollte. Alles wurde nun dafür organisiert. Graf unterstützte dies auch, indem er Ida den Siegelring mit übergeben hat. Die Ida nähte Rudis Orden in das Unterfutter ihrer Kleidung, ebenso den Kommodoresiegelring.
Die Landschaft und verschiedene Anlaufpunkte auf dem Wege bis nach Wien kannte sie auch, – also müsste es doch klappen. Einige weitere Wertsachen, welche nicht so wichtig waren, hatte Ida lose bei sich zur Tarnung, im Falle sie kontrolliert oder gar geschnappt würde. Eines Abends ging es dann los, raus aus dem Lager, über ländliche Gegenden, durch Wälder, über offenes Gelände. Nachts schwamm sie bei den noch herrschenden niederen Wassertemperaturen durch die Moldau. Dabei hat sie sich eine Unterleibserkältung zugezogen. Dies war dann auch der Grund, warum sie später keine Kinder mehr bekommen sollte.
Die Ida ist ohne weitere Vorkommnisse mit Ihrem wertvollen Beigepäck in Wien angekommen, – eine unglaubliche Leistung !
Jetzt wollen Sie sicher wissen, ob es den Kommodoresigelring des JG 52 noch gibt ? Ja, er ist immer noch in Wien bei den Trenkels ! Die müssen Sie unbedingt besuchen.
Nach Krieg und Gefangenschaft sah ich die Trenkels erst wieder Ende der 50er Jahre. Unsere Kameradschaft und Freundschaft pflegen wir bis heute. Beim ersten großen Gruppentreffen der I./JG52 im Okt. 1980 bei Prof. Dr. Artur Fischer (Dübel – Fischerwerke) in Dornstetten, wollte Trenkel mir den Kommodoresiegelring des JG 52 übergeben. Ich habe diesen dann auch mit besonderem Stolz ein paar Stunden tragen dürfen, dann aber wieder an „Sarotti 1“ zurückgegeben. Trenkel wurde weiterhin zum Hüter des Ringes bestimmt ! Hermann Graf, der letzte Kommodore des JG 52, hat dies dann später in einem Gespräch mit mir ebenfalls befürwortet.
Graf und ich pflegten ebenfalls eine gute Kameradschaft. Wir waren und sind beide, wie man so sagt, gebrannte Kinder des Krieges und der damaligen Zeit. Aber das ist eine andere Geschichte. “
Monate später war ich dann in Wien bei den Trenkels. Sarrotti begrüßte mich vor seinem Jugendstil-Prachthaus per Handschlag. Ich merkte nicht einmal, als er mir die Hand gab, dass er den Kommodorering schon anhatte. Wiese hat das sicher so mit ihm abgesprochen. Erst als wir im Salon saßen, streckte er mir seine Hand mit dem Ring lächelnd vor die Nase. Rudi streifte den Ring ab und gab mir diesen. Ehrfürchtig betrachtete ich dieses hochkarätige Unikat von allen Seiten und dann noch mit einer Lupe. Rudi sagte:
„Steck den Ring doch mal an! “
Ich traute mich nicht, denn ich hatte zu viel Hochachtung vor dem Ring und gab diesen wieder vorsichtig an Rudi zurück. Von da an, glaube ich, hatte ich Rudis, aber auch Idas Herz gewonnen.
Rudi erzählte mir dann noch, dass er mit dem Siegelring anfänglich in erhebliche Schwierigkeiten kam. In den 80er Jahren, wurden die sogenannten Sammler u. Autogrammjäger von Ritterkreuzträgern gar zur richtigen Plage.
Diese Leute kannten fast keine Rücksicht, nach anfänglicher Beantwortung der Autogrammpost erhielt er oft unange-meldete Besuche, vorwiegend aus dem Ausland. Diese Leute wollten alles haben, es war nicht mehr auszuhalten !
Einem Amerikaner hat er dann leider, nur um ihn endlich wieder loszuwerden, sein originales Deutsches Kreuz in Gold mitgegeben. Seine Ida wurde richtig böse und war sehr verärgert. Es mussten jetzt Schutzbehauptungen her: Die Orden, alles militärische, auch der JG 52 Kommodore- Siegelring, ging bei der damaligen Flucht leider verloren. Die Ida hatte ihm angeblich zu seinem Geburtstag eine Nachfertigung des Ringes geschenkt. Sein Augenlicht war so schlecht geworden, dass er nicht mehr unterschreiben konnte. Das mit den Augen stimmte zwar in etwa, aber er sah immer noch was er sehen wollte. Der Erfolg davon war durchschlagend ! – Eine bis dahin fast unbekannte Ruhe kehrte endlich bei den Trenkels ein.
Ich habe dann von Rudis wichtigen Exponaten Fotos/ Fotokopien angefertigt. Dazu haben wir in den nächsten drei Tagen gemeinsam die Wiener Lokale frequentiert, mit allem was dazu gehört, Prater, dem Heurigen, usw.
Wien und die Trenkels, für mich ein unvergessliches Erlebnis. Der Ring an Rudis Hand war immer mit dabei. Er sagte mir dazu noch folgendes:
„Manni, wenn ich diesen Ring an der Hand trage, dann fühle ich unsere toten, vermissten und inzwischen verstorbenen Kameraden hier bei mir. Ihnen zu Ehren trage ich diesen Ring zu besonderen Anlässen, als sichtbares Zeichen unserer Kameradschaft und Verbundenheit auch über den irdischen Tod hinaus !“
Nach dem letzten Fluge von Rudi und Ida Trenkel konnte der Kommodoresiegelring des JG 52 mit viel Glück für das JG 52– Museum gesichert werden. Wir werden Rudi Trenkels Stellung/Vermächtnis als „Hüter des Ringes“ übernehmen und diesen Ring weiterhin in hohen Ehren halten. Ebenso haben wir die originale Heiratsurkunde vom 14.05.1945, aus dem US-Kriegsgefangenenlager K 3 Strakonitz erhalten.
Wir werden beides bei unserem diesjährigen Treffen in Altenstein ausstellen.
Der JG 52 Kommodoresiegelring sollte dieses Jahr in Altenstein zu Ehren der 52er getragen werden, von unserem Vorstand des Ehrenvorstandes/Ehrenkommodore JG 52, Walter Wolfrum. Ebenso von unseren beiden Ehrenvorständen und ehemaligen Inspekteuren der BW-Luftwaffe, den Generälen a. D. Günther Rall und Friedrich Obleser.
(M.H.H.W.)
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